Genderverbot an der HES-SO

25.11.2025

Um was geht es?

Am 10.12.2024 traf sich der Grosse Rat, um über verschiedene Postulate zu reden. Eines davon war ein Postulat mit dem Namen: «Inklusive Schreibweise an der HES-SO Valais/Wallis: eine Ideologische Verwirrung.» Die HES-SO Wallis verwendet seit Jahren die inklusive Schreibweise, zum Beispiel mit Mediopunkt im Französischen. Dazu hat die HES-SO für den französischen und deutschen Sprachgebrauch Leitfaden geschrieben, an denen sich die Studierenden orientieren können. Die VerfasserInnen des Postulats verweisen mehrmals auf die elitäre konservative «Académie Française», die einen inklusiven Sprachgebrauch als undemokratisch bezeichnet. Zudem verweist sie auf einen Leitfaden des Bundes, der für Bundesbehörden gilt, zu denen Fachhochschulen, und damit auch die HES-SO, nicht dazugehören. Dass darin kein Widerspruch besteht, zeigt auch, dass die Universitäten und Fachhochschulen in Zürich, Basel und St. Gallen auch Leitfaden für inklusiven und diskriminierungsfreien Sprachgebrauch anbieten. Erwähnt sei auch, dass im entsprechenden Postulat nur auf die französische Sprache verwiesen wird, die deutsche hingegen wird nicht erwähnt.

Das «Gesetz über die Fachhochschule Westschweiz Valais/Wallis» von 2012 regelt die Zuständigkeiten zwischen Staatsrat und Hochschule. Art. 5 legt fest, dass sich die Fachhochschule selbst organisiert, Art. 6 garantiert die Unterrichts- und Forschungsfreiheit und Art. 7 verpflichtet zur Förderung der Chancengleichheit und Anwendung des Gerechtigkeitsprinzip. Kompetenzen können nicht einfach per Postulat an den Staatsrat übergeben werden, erst recht nicht, wenn es dabei nur um gesellschaftliche Polarisierung geht. Ein generelles Verbot eines inklusiven Sprachgebrauchs wäre nicht durch dieses Gesetz gedeckt, insbesondere weil es weder Sprache noch Kommunikation thematisiert, sondern institutionelle Strukturen und Aufgaben regelt. Ein Verbot widerspricht nicht nur institutionellen Selbstverständnissen der HES-SO, sondern auch dem Gleichstellungsgebot auf Bundesebene (Art. 8 Abs. 3 der Schweizer Bundesverfassung Gleichstellung von Mann und Frau).

Ein Verbot inklusiver Sprache ist kein sachlicher Diskurs, es ist ein autoritärer Akt der Unterdrückung. Es ist der reflexhafte Griff der Macht nach der Kontrolle über das Denken, und damit über die Wirklichkeit. Sprache ist kein neutrales Werkzeug, Sprache schafft Wirklichkeiten. Sie ist ein Spiegel gesellschaftlicher Dominanzverhältnisse. Wer die Sichtbarkeit marginalisierter Geschlechter unterdrückt, schützt nicht «Lesbarkeit» von Texten, sondern bestehende Herrschaft. Wer behauptet, inklusive Sprache zerstöre die Lesbarkeit, lebt im letzten Jahrhundert. Studien belegen längst: Lesefluss, Verständnis und Erinnerung bleiben völlig unberührt, und repressive Verbote sollen uns wohl eher vom Denken abhalten, nicht vom Lesen.

Es ist kein Zufall, dass dieselben Kräfte, die Umverteilung blockieren und Gerechtigkeit verhindern, auch Sichtbarkeit bekämpfen. Sie fürchten nicht das Sternchen oder den Doppelpunkt, sondern das Ende ihrer symbolischen Vorherrschaft. Das Verbot ist kein Schutz vor «Ideologie», es ist selbst Ideologie: die der Reaktion, der Machtkonzentration, der konservierten Hegemonie. Bürgerliche zeigen ein weiteres Mal, dass sie alles tun, um das Kapital zu schützen, indem sie weiter Menschen unterdrücken und marginalisieren.
Inklusiver Sprachgebrauch ist kein Unsinn. Er ist ein Werkzeug der emanzipatorischen Praxis, ein Akt der Anerkennung angesichts struktureller Unsichtbarkeit und Unterdrückung. Besonders Hochschulen tragen eine gesellschaftliche Verantwortung der Aufklärung und Sichtbarmachung. Wer hier verbietet, betreibt Klassenpolitik, nicht zugunsten der Unterdrückten, sondern für die, die schon immer oben sassen und unterdrückten. Wir sagen: Die Realität hat mehr als zwei Geschlechter. Und unsere Sprache auch. Wer das verbietet, stellt sich nicht nur gegen die Vielfalt, sondern gegen die Freiheit. Wer das Sprechen verbieten will, will auch das Denken kontrollieren. Gegen jede sprachliche Zensur – für eine Hochschule der Emanzipation.